Endlich Spargelzeit

23. April 2020

Endlich Spargelzeit 

In meiner Kindheit war Spargel bei uns noch nicht so verbreitet wie heute. Wir kannten ihn lediglich aus der Konservendose, jene kleinen feinen gelben Stängel, die man für belegte Brötchen verwendete und sie dann mit Mayonnaise aus der Tube garnierte.

Frischer Spargel galt damals noch als aussergewöhnliche Spezialität. Dazu habe ich eine kuriose Erinnerung: An einem Muttertag, als der Vater die Familie in ein besseres Restaurant führte, beobachtete ich voller Erstaunen, wie an einem Nachbartisch Gäste frischen Spargel mit den Händen assen. Dabei tauchten sie die Finger immer wieder in ein mit Wasser gefülltes Schälchen. Auf meine Frage, ob denn diese Leute kein Besteck gekriegt hätten, erklärte mein Vater, dass man frischen Spargel mit blossen Händen esse; das gehöre zur Etikette. Heute sind Messer und Gabeln beim Spargelessen erlaubt, denn der Grund für diese spezielle Tischsitte lag darin, dass die Inhaltstoffe des Spargels das Besteck rosten liessen, was beim heutigen Besteck kein Problem mehr ist. Trotzdem, wer gerne alte Tischsitten pflegt, darf ihn immer noch von Hand essen, vorausgesetzt, das Fingerschälchen mit dem lauwarmen Wasser steht bereit.

Spargel aus der Region gehört heute zu den kulinarischen Frühlingsboten, die von vielen ungeduldig erwartet werden. Allerdings kennt der Spargel keinen fest definierten Saisonbeginn. Die Ernte ist vom Wetter abhängig und die ersten Stangen gibt es zwischen Mitte und Ende April. Traditionell fest fixiert hingegen ist das Ende der Spargelzeit am 24. Juni, dem sogenannten „Spargel Silvester“. Wir freuen uns jedes Jahr auf die Spargelzeit und bereiten am meisten den weissen, dicken (wenn möglich badischen) Spargel zu. Ab und zu geniessen wir auch den grünen Spargel und den Wildspargel aus Italien, mit dem wir fast immer einen risotto kochen. 

Hierzulande wird Spargel meistens mit einer recht dominanten Sauce, etwa einer Hollandaise oder einer Mayonnaise, gereicht. Persönlich halte es aber eher mit dem römische Feldherrn Lucullus (118–56 v. Chr.), der gesagt haben soll: „Es kann nur kochen, dem die Kunst gelingt, Spargel ohne Zutat in wonniger Vollendung aufzutischen“. Offenbar hat sich ein Teil dieser Einstellung in Italien gehalten, denn man geniesst den Spargel dort nicht mit Saucen, sondern serviert ihn alla milanese oder verwendet ihn als Aromageber etwa in einer frittata, in einem pasta Gericht oder einem risotto. Unsere bevorzugte Spargelvariante ist tatsächlich auch asparagi alla milanese.  Manchmal bereiten wir aber auch einen risotto mit grünem Wildspargel und Morcheln zu (siehe Buch da Massimo Seite 120) oder einen risotto mit weissem Spargel. 

Nach dem Kauf sollten Spargeln möglichst bald verarbeitet werden. Wenn das nicht geht, kann man sie in ein feuchtes Tuch gewickelt im Kühlschrank gut zwei, drei Tage lagern.  Die Verarbeitung ist einfach. Zuerst müssen sie geschält werden. Dazu nimmt man am besten einen Sparschäler und schält sie von der Spitze gegen unten rundherum ab. Bei grünen Spargeln reicht es, wenn sie etwa vom oberen Drittel aus abgeschält werden. Zur Kontrolle mit einem Finger über die geschälte Stange fahren, überall wo es sich rau anfühlt ist der Spargel geschält, glatte Stellen müssen nachgeschält werden. Dann die holzigen Enden wegschneiden, je nach der Frische des Spargels sind es 1 bis 3 cm. Aufgrund des Widerstandes beim Abschneiden merkt man, wo der holzige Teil endet (die abgeschnittenen Enden kann man für eine Bouillon für einen Spargelrisotto oder für eine Spargelsuppe verwenden).  Dann die Spargeln entweder in leicht siedendem Wasser in einem hohen Topf oder mit nur wenig Wasser (1 bis 2 cm hoch) in einer weiten niedrigen Pfanne leicht bissfest garen. Die Garzeit hängt von der Dicke und der Wassertemperatur ab, in der Regel dauert sie etwa 15 bis 20 Minuten.

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