Gastfreundschaft schenken
Gastfreundschaft schenken
Schenken ist etwas Schönes, es bereitet dem Beschenkten Freude und drückt von Seiten des Schenkenden Grosszügigkeit und Wertschätzung aus. Leider wird heute viel über das Schenken gemotzt. Schenken sei eine blosse Geschäftemacherei, es sei meistens unnötig und oft unehrlich, geschehe nur aus Berechnung oder aus Pflicht. Persönlich verstehe ich diese Kritik gar nicht, denn das Wesen des Schenkens besteht ja gerade darin, dass es freiwillig ist. Niemand muss schenken. Ausserdem gibt es auch eine nicht materielle Form des Schenkens, man kann einander zum Beispiel auch mit Zeit beschenken, mit liebvollen Handreichungen oder mit Gemeinschaft.
Und man kann andere auch kulinarisch beschenken. Tatsächlich sind kulinarische Geschenke die sinnvollsten Geschenke. Sie stehen nicht herum, müssen nicht abgestaubt werden, brauchen nur kurzeitig etwas Platz und vermitteln Erinnerungen durch die einmal erfahrenen Geschmackserlebnisse. Während nach der Rückkehr von einer Reise das letzte cantuccino aus Florenz gegessen, das letzte Salamirädchen aus Bologna zerkaut oder die letzte Flasche umbrischer Wein getrunken wird, scheinen vor den Augen die Eindrücke aus jenen Gegenden aufzutauchen und die Nase holt die Gerüche der Umgebung hervor.
Ein Lebensmittelgeschäft in Alba hat in seinem Schaufenster ein handgeschriebenes, bescheidenes Plakat mit folgendem Text aufgemacht:
„Die von uns vorgeschlagenen Leckerbissen gehören zur gastronomischen Kultur der Langhe und zur Geschichte unserer Familie, die dieses Geschäft seit 1967 betreibt. Was du mit dir nimmst, um es mit deiner Familie zu teilen, ist ein Stück des Piemonts unserer Grosseltern und gehört zu dem, was wir zu Hause einem Freund, den wir als Gast empfangen, offerieren würden.“ (italienischer Originaltext siehe unten).
Mit diesen Zeilen wird wundervoll ausgedrückt, dass dieser Familienbetrieb seine Produkte auch als etwas versteht, mit dem man andere beschenken kann.
Nun kann man einander nicht nur mit kulinarischen Produkten, sondern auch mit Gastfreundschaft beschenken. Bei Gastfreundschaft wird man immer auch selber beschenkt und zudem ist sie spannend, weil zum Wert des Essens nicht zuletzt auch Gespräche am Tisch gehören, die bereichern. Dabei spricht man über Kultur, Politik, Wirtschaft, Kunst, Sport, Religion, Literatur, Musik oder einfach über Kleinigkeiten des Lebens. Wer Gäste hat, lernt neue Menschen kennen und durch sie vielleicht auch neue Denkweisen, oder man erfährt etwas bisher Unbekanntes aus vergangenen Zeiten, wird mit spannenden Lebensgeschichten konfrontiert oder mit Besonderheiten aus fremden Ländern, über die Gäste berichten.
Wer kocht und Gäste zum Essen einlädt ist Schenkender und Beschenkter zugleich. Es ist ein besonderes Vorrecht, wenn man in seinem Freundeskreis Menschen hat, die diese Tradition pflegen und es ist lohnend, selber darin zu stehen.
Originaltext des obigen Zitats: Le golosità da noi proposte appartengono alla cultura gastronomica delle Langhe ed alla storia della nostra famiglia in questa attività fin dal 1967. Quello che porterai con te, per condividere con la tua famiglia, è un pezzo del Piemonte dei nostri nonni ed è ciò che offriremmo ad un amico ospite a casa nostra.
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