Kochen – (k)ein Wettbewerb für jedermann
Kochen – (k)ein Wettbewerb für jedermann
Gast-Blog von Geri Staudenmann
Sie haben es sicher auch schon erlebt: Einladung bei engagierten Hobbyköchen (nicht nur passioniert, auch pensioniert mit entsprechendem Zeitbudget) zu einem wunderbaren, mehrstündigen Abendessen: Prosecco, Weisswein, Rotwein; Antipasti; Primo Piatto;
Secondo Piatto; Käse; Dolci, Caffè, Grappa … ein nicht enden wollendes kulinarisches Vergnügen.
Ein Beispiel gefällig?
Antipasti
Colvendrà – Prosecco DOC Treviso Extra Dry 2019, verdure grigliate, olive, carciofi, parmigiano, salame, prosciutto crudo, mortadella, grissini, baguette
Primo Piatto
Monte Vibiano – Maria Camilla Bianco IGP 2017, Pasta di mare fatto a casa con aragosta
Secondo Piatto
Speri – Amarone Valpolicella Classico Superiore DOCG 2017, Tagliata di manzo, pattate arrostite al rosmarino, broccoli
Formaggio
Tenuta Luzzolini – 2016 Paternum IGT Calabria, Gorgonzola, Scamorza, Taleggio, Pecorino
Caffè, Dolci
Rondena – Grappa Amarone Riserva, Cantucci, Amaretti
Wenn wir uns dann – lukullisch aufs Höchste verwöhnt, wohlgenährt, unter Umständen sogar leicht überessen, angesäuselt und glücklich – auf den Heimweg machen (zu Fuss, ÖV, Taxi natürlich) erinnern wir uns noch einmal an die guten Gespräche über Italien, Weine, Essen, Zutaten, Kochen, Anrichten … Und: Sicher machen wir uns auch ein paar Gedanken über die Gastgeber, die Stimmung, die Gespräche.
Wie nett sie waren, wie kommunikativ sie sind, wie interessant die Gespräche, wie lustig die Witze, wie anspruchsvoll die Themen … doch plötzlich, Oh Schreck! Fliegt mir ein Gedanke in den Kopf, der meine Gefühlswelt unvermittelt in einen Vollwaschgang mit anschliessendem Tumblerprogramm spediert (Meine Frau Margaritha schläft schon fast in meinen Armen ein.): Die Gastgeber haben doch ein eigenes Kochbuch geschrieben! Wie konnte ich das vergessen! Deshalb diese persönlich gestaltete kulinarische Luxustour gespickt mit sämtlichen nur vorstellbaren italienischen Finessen! Nichts da von Take Away, Just Eat, Pizzakurier, Tiefkühler …
Mein Atem wird schneller, das Herz beginnt zu pochen, Schweiss rinnt über die Stirne, Kopfschmerzen machen sich breit. Nicht der Alkohol ist schuld, auch nicht der volle Magen schon gar nicht die kühle Brise, die mein Gehirn noch wachhält (und Margaritha ins Land der Träume begleitet). Nein, pure Angst befällt mich, Angst vor dem Vergleich, Angst vor dem Versagen. Einem Vergleich, dem wir niemals standhalten können. Alles dreht sich plötzlich nur noch um die Frage: Und was kochen wir, wenn wir unsere Gastgeber zu uns einladen? Wenn wir uns revanchieren, wie man das halt so macht? Versprochen haben wir es (An die Konsequenzen dieser Einladung haben wir in der Beschwingtheit des Abends natürlich nicht gedacht.).
Meine Gedanken rasen. Was haben wir für Lösungen? Wir lassen einfach nichts mehr von uns hören. Vergessen die Einladung zu uns. Tauchen ab. Nein, das ist feige. Gehört sich nicht. Wir müssen da durch, müssen unser Versprechen einhalten. Zudem waren der Abend, die Gespräche, die Stimmung so ausgezeichnet, da wäre es schade, wenn es keine Wiederholung gäbe. Wenn da nur nicht diese Kocherei wäre. Da sind wir voll im Wettbewerbsmodus gelandet. Sollen wir uns auch an die italienische Küche wagen? Den direkten Vergleich suchen? Quasi den Fehdehandschuh aufnehmen (Zu solchen Bildern hat sich mittlerweile meine kompetitive Gefühlswelt schon hochgedreht.). Nein, um Gottes Willen, keine Chance! Lieber französisch? Zu anspruchsvoll. Oder asiatisch? Kennen wir zu wenig. Russisch, kroatisch, mexikanisch, argentinisch …? Von diesen Küchen verstehen wir eh nichts! Finger weg!
Die Gedanken begleiten mich in den Schlaf, Margaritha schläft schon tief und fest. Nichts bekommt sie von meiner Aufregung mit. Im Traum kaufe ich ein, bereite vor, koche, dämpfe, grilliere, richte an … eine unruhige Nacht nimmt frühmorgens ihr Ende.
Margaritha als Frühaufsteherin höre ich schon in der Küche hantieren. Bald erscheint sie mit einem Tablett und serviert mir das Morgenessen ans Bett. Wie seit vielen Jahren immer, wenn sie früher aufsteht als ich, (was meistens der Fall ist). Von meiner unruhigen Nacht hat sie nichts mitbekommen. Ich erzähle ihr von meinen Angstzuständen, sie lacht sich krank und hat eine zündende Idee:
„Wir kochen das 5-Franken-Menu. Pro Person darf das Essen maximal 5 Franken kosten, macht 20 Franken für zwei Ehepaare. Der Wein, die Getränke kommen extra dazu“, meint sie ganz entspannt. „Da sind wir aus dem Wettbewerb raus, unsere Kreativität können wir für andere Inhalte einsetzen. Oder höchsten dafür, günstige Waren einzukaufen und damit etwas Leckeres zu kochen!“ Und ich denke mir: “Einen Brunello di Montalcino können wir trotzdem dazu geniessen.“ Und danach tief und entspannt schlafen. Oh, wie ist das Leben doch schön!
Und übrigens: Die Geschichte hat rein gar nichts zu tun mit lebenden Autoren von Kochbüchern!
Geri Staudenmann, ist Inhaber und Verwaltungsratspräsident der Geri Staudenmann Kommunikation AG, Gründer und Inhaber der santémedia AG und Unternehmensinhaber von BOXENBERN.
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