Qualität beim Kochen
Qualität beim Kochen
In „da Massimo“ habe ich darauf hingewiesen, dass Essen sehr viel mit Qualität zu tun hat. Kochkunst besteht nicht zuletzt darin, aus einfachen Lebensmitteln guter Qualität etwas Schmackhaftes von ebenso guter Qualität herzustellen. Das ist eine sehr befriedigende aber manchmal auch anspruchsvolle Angelegenheit.
Nur, was macht gute Qualität beim Kochen und Essen aus?
In seinem Buch „QUALITÄT“ definiert der Kulturwissenschaftler Dirk Hohnsträter[1] vier Qualitätsfaktoren: Ausgangsmaterial, Verarbeitung, Funktion und Form. Er wendet sie dann auf verschiedene Aspekte des Alltags an, unter anderem auch auf das Essen. Um der Qualität des Essens auf die Spur zu kommen, rät er zuerst einmal, das Gespür für Aromen zu entwickeln, etwas, das man durchaus trainieren kann. Dann plädiert er dafür, Neugier und Offenheit für Neues zu pflegen, das Wissen über Produkte ständig zu erweitern und warnt davor, die eigenen Geschmacksvorzüge zu stark zu bewerten, weil sie nichts mit der eigentlichen Qualität eines Produkts zu tun haben.
Beginnen wir also mit dem Ausgangsmaterial. Die Grundlage für gute kulinarische Qualität liegt in den verwendeten Primärprodukten. Eine luftgetrocknete Pasta beispielsweise, zubereitet aus feinstem Hartweizendunst und durch Bronzeformen gepresst, schmeckt einfach anders als ein Durchschnittsprodukt. Dasselbe gilt für Fleisch- und Wurstprodukte oder Käse. Denken wir an einen echten San Daniele Schinken oder an gut gelagerten Parmigiano Käse, die viel köstlicher schmecken als billige Kopien. Bei Gemüse, Früchten und Fisch spielt noch ein weiterer Faktor eine entscheidende Rolle: die Frische.
Nun kann davon ausgegangen werden, dass Produkte auf einem lokalen Markt oder in einem Fachgeschäft höhere Qualität haben als jene in einem Supermarkt. Allerdings stellt man fest, dass Supermärkte besonders bei den Frischprodukten enorme Qualitätsfortschritte gemacht haben. Dies ist wahrscheinlich dem neu entstandenen Bewusstsein für die Bedeutung regionaler Produkte zu verdanken. Die Italiener haben dafür einen zutreffenden Begriff kreiert, nämlich chilometro zero. Das heisst, Produkte, die aus dem Umkreis eines Kilometers stammen, sollten die frischesten und besten sein. Produkte guter Qualität haben berechtigterweise ihren Preis, weil sie sorgfältiger und meist auch aufwändiger hergestellt wurden. Es geht allerdings nicht darum, dass man sich einfach aus einem Dünkel heraus die teuersten Produkte leistet, was Oscar Wilde humoristisch so ausdrückte: „Ich habe einen ganz einfachen Geschmack; ich bin immer mit dem Besten zufrieden.“ Man sollte sich aber immer die bestmögliche Qualität gönnen, die man sich leisten kann.
Die Wichtigkeit des zweiten Aspekts der Qualität, jenem der Verarbeitung, bringt die einfache Aussage, eines Winzers auf den Punkt: „Aus einer schlechten Traube kann man keinen guten Wein machen, aber aus einer guten Traube kann man einen schlechten Wein machen.“ Sorgfältige und schonende Verarbeitung sind zentral für kulinarische Qualität und verlangen Zeit, Leidenschaft und Geduld. Eine gute Tomatensugo braucht mehrere Stunden auf kleinem Feuer, genauso wie alle Schmorgerichte. Andere Gerichte, Ravioli etwa, verlangen eine längere Vorbereitungszeit, wenn man Teig und Füllung dazu selber herstellt. Aber selbst bei schnellen Gerichten, beispielsweise dem einfachen Braten einer Bratwurst oder eines Spiegeleis oder dem Aufwärmen von Resten, kann man auf Sorgsamkeit achten und die kurze Zubereitungszeit dafür sogar geniessen.
Bleiben noch Funktion und Form. Die Funktion des Essens ist natürlich primär die Ernährung des Körpers sicherzustellen. Diese soll ausgeglichen, abwechslungsreich und in vernünftigen Mengen geschehen, damit dem Körper die notwendigen Mineralstoffe, Vitamine, Eiweiss, Fett und Kohlenhydrate zugeführt werden. Darüber wurde und wird viel geschrieben, wobei die mediterrane Ernährung übereinstimmend als eine der gesundesten und qualitativ besten Ernährungsweisen eingestuft wird. Schliesslich ist noch die soziale Funktion des Essens erwähnenswert. Wenn man mit anderen Personen zusammen isst, teilt man gemeinsame Zeit, plaudert, tauscht Ansichten aus und diskutiert. So wird Gastfreundschaft zum Geschenk, mit anderen ein Stück Leben zu teilen, und zu einem sozial bedeutsamen Ereignis.
Bleibt noch die Form. Dazu gehört ein einfaches aber gepflegtes Ambiente, ein schön gedeckter Tisch mit Tischtuch, Servietten aus Stoff, Besteck, Geschirr und Gläsern adrett angeordnet, Blumenschmuck (es kann auch nur eine Feldblume, eine Efeuranke oder ein Herbstblatt sein) und für ein Abendessen auch eine brennende Kerze. Zur Form gehört auch die Präsentation der Gerichte und wie die Speisen auf dem Teller angeordnet werden. Hohnsträter verweist im oben erwähnten Buch in diesem Zusammenhang auf den deutschen Gastronomiekritiker Jürgen Dollase[2], der auch Dinge wie den zeitlichen Ablauf der Gänge, die Temperatur und die Texturkontraste der Speisen als Qualitätsmerkmale auflistet, was tief in die professionelle Küche hineinreicht.
Zum Bestreben auch ambitionierter Hobbyköche gehört jedoch, der kulinarischen Qualität einen hohen Stellenwert beizumessen. Dies nicht als Druck, sondern als Ansporn, aus dem, was wir uns leisten können, das Beste zu machen.
[1] Brandstätter Verlag Wien 2021
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Jürgen_Dollase
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