Resten verwenden
Resten verwenden
Die Bemühungen um Nachhaltigkeit beeinflussen immer mehr auch das Essverhalten. Im Zusammenhang mit Foodwaste konnte man verschiedene Beiträge über Restenverwendung lesen, etwa bei Betty Bossi: „Resten von gestern – Schmaus im Haus“ oder „Restenrezepte“ bei Swissmilk.
Was sich hier als neu und trendig gibt, ist lediglich die Wiederentdeckung einer alten Selbstverständlichkeit. Noch die Nachkriegsgeneration wuchs mit dem Bewusstsein der Restenverwertung auf. Es war völlig normal, dass übriggebliebene Nahrungsmittel aufgewärmt oder in frische Gerichte integriert wurden. Es war üblich, verschiedenste Speiseresten häufig in Suppen wiederzuverwerten, die dann oft keine eindeutige Geschmacksrichtung mehr aufwiesen, was zur humoristischen Bemerkung führte, die Suppe sei ein (kulinarischer) Wochenrückblick. Diese Wiederverwertung von noch Brauchbarem machte damals nicht nur bei Nahrungsmitteln halt. Sie wurde unter anderem auch mit Kleidern und Schuhen praktiziert, die an jüngere Geschwister weitergegeben wurden, wenn ein Kind aus ihnen herauswuchs.
In der italienischen Küche kennt man Restenverwertung schon seit jeher. Sie war notgedrungener Teil der so genannten cucina povera (arme Küche), jener Küche der ländlichen Gebiete und der Bauern, die im Gegensatz stand zur üppigen und elaborierten Küche der Adligen und der besser gestellten Stadtbewohner. Diese cucina povera versucht mit Kreativität, das Wenige, welches man hat (einschliesslich der Überreste aus vorangegangen Mahlzeiten), in wohlschmeckendes Essen zu verwandeln. Dass in der traditionellen italienischen Küche meistens nur wenige Kräuter, Olivenöl oder etwas Salz und Pfeffer zur Verfeinerung verwendet werden, hat seinen Ursprung übrigens auch in der cucina povera.
Naturgemäss gibt es in einem Haushalt regelmässig überschüssiges Brot. Dazu kennt Italien einige Rezepte für leckere Speisen. Ein Beispiel dafür ist die pappa al pomodoro, bei der das Brot mit Tomaten, Olivenöl Knoblauch und Basilikum verarbeitet wird oder das pancotto, gerösteten Brotscheiben auf einem Bett von Blattgemüse und mit Käse bestreut. Eine häufige Verwertung überschüssigen Brotes ist das pangrattato (Paniermehl), das aus hart getrocknetem Brot gerieben und in vielen Rezepten verwendet wird, sogar in Kombination mit Teigwaren, wie etwa bei der pasta con acciughe e pangrattato.
Auch Resten von Reis und polenta werden kreativ weiterverwendet. Die berühmten arancini aus Sizilien bestehen im Wesentlichen aus restlichem risotto und übrigem ragù. Auch restliche polenta kann wunderbar verwertet werden, nämlich goldgelb gebraten als Begleiter zu Käse, Fisch oder Fleisch oder mit Käse eingeschichtet zu einem feinen Auflauf gratiniert. Weniger bekannt ist der risotto al salto, bei dem ganz einfach übriger risotto in Butter fladenartig gebraten wird, was herrlich schmeckt. Dies kann man auch mit restlichen Teigwaren machen. So hat unsere Mutter spaghetti al ragù jeweils in Butter knusprig gebraten, ein Restenrezept, das ich bis heute ausserordentlich liebe.
In allen Regionen Italiens sind Schmorgerichte beliebt. Diese haben den Vorteil, dass man sie öfter aufwärmen kann, ohne dass sie an Geschmack verlieren oder verkommen. Des Weiteren können übriggebliebenes Schmorfleisch genauso wie Käseresten für schmackhaften Füllungen bei pasta ripiena, ravioli oder tortellini genutzt werden.
Restenverwertung ist viel mehr als lästiges Aufbrauchen des Übriggebliebenen, denn sie hat schon immer die Kreativität beim Kochen stimuliert und ist eine willkommene Abwechslung zu elaborierteren Gerichten. Ausserdem ist sie ein Ausdruck des Respekts gegenüber den Nahrungsmitteln und den Ressourcen und damit auch gegenüber der Schöpfung.
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