Ungezwungener Umgang mit Fett

5. Februar 2022

Ungezwungener Umgang mit Fett

Es ist der alte Traum der Menschheit, für alle Probleme einen einzigen Schuldigen zu finden. Auch in der Ernährung suchen manche einen solchen Schuldigen, vor allem für das Problem des Übergewichts. Dies führt dazu, dass einzelne Nahrungsmittel wie Teigwaren, Butter oder Zucker als die schuldigen Dickmacher gebrandmarkt werden. Entsprechend kommen immer wieder Diäten auf. Abgesehen davon, dass Diäten langfristig sowieso nichts bringen, weil der bekannte Jo-Jo Effekt unbarmherzig zuschlägt, sind viele davon von einer unguten Einseitigkeit geprägt, wie z.B. Fett, Zucker oder Kohlenhydrate total zu vermeiden.

Wie schon im Blog 27Von Guetzli, biscotti und anderen Köstlichkeiten“ erwähnt, ist es die Dosis, die entscheidet. Dies gilt ebenfalls für die Kalorienaufnahme. Es ist die Menge der Kalorien die bestimmt, ob jemand an Gewicht zulegt und es ist die Ausgewogenheit in der Ernährung, die dafür sorgt,  dass alle lebensnotwendigen Stoffe regelmässig in geeigneten Mengen dem Körper zugeführt werden, um ihn gesund und leistungsfähig zu erhalten. Dazu gehören Kohlenhydrate, Eiweiss, Mineralstoffe, Ballaststoffe, Proteine und Vitamine – und auch Fett.

Fett ist also besser als sein Ruf. Fett ist ein grossartiger Betriebsstoff für unseren Körper, Träger der lebensnotwendigen fettlöslichen Vitamine A, D, E und K. Das Fettgewebe unter der Haut kann auch eine Rolle bei der Immunabwehr spielen. Der menschliche Körper braucht Fett, wie es der Biomediziner Alexander Bartelt in einem Interview in der NZZ am Sonntag vom 11.04.2021 sagt: „Menschen, die gar kein Fettgewebe haben, sind genauso krank wie Leute, die zu viel davon haben“.

Dann sind Fette ausgezeichnete Geschmacksträger oder besser gesagt, sie wirken als Geschmacksverstärker, weil sie Aromen aufnehmen und miteinander verbinden sowie saure und bittere Speisen harmonischer machen. Darum wird bei der Zubereitung von Gerichten oft Butter und Öl verwendet oder am Schluss noch beigefügt, wie der berühmte „filo d’olio“, der Faden Olivenöl auf einer pappa al pomodoro oder einem „peposo“ (siehe Buch „da Massimo“, Seite 141), oder die gewürfelte Butter für die mantecatura beim Risotto.

Der empfohlene tägliche Konsum von Fett liegt für einen Erwachsenen bei durchschnittlich 70 Gramm (1 Gramm pro Kilo Körpergewicht). Das ist nicht viel, wenn man sich vor Augen hält, dass mit dem Konsum von 20 g Butter oder Margarine und 20 g Speiseöl schon fast die Hälfte des Fettbedarfs gedeckt ist. Rechnet man noch die versteckten Fette dazu (z.B. in Käse, Milchprodukten, Schokolade, Fleisch, Wurstwaren etc.), dann hat man die übrigen gut 30 Gramm Fett schnell zusammen. Darum ist es auch nicht verwunderlich, dass der tägliche Konsum von Nahrungsfetten in der Schweiz etwa doppelt so hoch ist wie die empfohlene Menge. Und dass Fette, die nicht zur Energieverbrennung genutzt werden, sich als Depotfett an unerwünschten Stellen unseres Körpers ablagern (wie übrigens auch überschüssige Proteine und Kohlenhydrate), ist bekannt. Aber auch hier braucht es Augenmass, denn statistisch gesehen haben Menschen mit einem etwas höheren BMI von knapp unter 25 die höchste Lebenserwartung. Sie sind gut genährt, aber überstrapazieren die natürliche Speicherkapazität ihres Fettgewebes nicht. Im Blick auf gesunde Ernährung ist es ratsam zusätzlich darauf zu achten, Fett möglichst aus pflanzlichen Quellen zu verwenden, weil dieses in der Regel grössere Mengen an essentiellen Fettsäuren enthält als Fett aus tierischen Produkten.

Wir pflegen in unserer Küche einen ungezwungenen Umgang mit Fett. Wenig halten wir von möglichst fettfreiem Kochen, das geht meistens zu Lasten des Geschmacks. So geniessen wir Salami und Mortadella, freuen uns auch mal an den „fettuccine Alfredo“ (siehe Buch „da Massimo“, Seite 94) mit den 20 Gramm Käse und 25 Gramm Butter pro Person!! Gleichzeitig sind wir uns jedoch bewusst, dass zu viel nicht gut ist und achten auf Ausgewogenheit. So kann man bei einem fetthaltigen primo auf ein secondo verzichten oder einen fettärmeren Fisch mit Gemüse oder Salat servieren, keinen Käsegang vorsehen und als Dessert auf Früchte zurückgreifen. Mit etwas Kreativität findet man viele Möglichkeiten den für einen ausgewogenen Fettkonsum und nach jedem Festmahl kann man in den folgenden Tagen ja beim Essen generell etwas kürzertreten.

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